====== Biographie Eyblers von Dr. August Schmidt, In "Denksteine", 1848. ======
===== Denksteine. - Biographien =====
von
Jgnaz Ritter v. Seyfried, Joseph Edlen v. Eybler, Jgnaz Franz
Edlen v. Mosel, W. A. Mozart (Sohn), Hieronymus Payer, Johann
Gänsbacher, Joseph Weigl, Thaddäus Grafen Amadé v. Varkony.
Von
Dr. August Schmidt.
Mit den von Joh. Stadler lithographirten Portraits der
betreffenden Künstler.
Wien, 1848.
Verlegt von der Mechitharisten-Congregation.
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===== Inhalt. =====
| | Seite |
| Widmung. | |
|Jgnaz Ritter v. Seyfried ................. |1|
|Joseph Edler v. Eybler ................. |41|
|Jgnaz Franz Edler v. Mosel ................ |55|
|W. A. Mozart (Sohn) ................. |75|
|Hieronymus Payer ................... |95|
|Johann Gänsbacher ................... |111|
|Joseph Weigl ..................... |163|
|Thaddäus Graf Amado von Várkony ............. |207|
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===== Joseph Edler von Eybler. =====
Dem Schullehrer und Chorregenten Eybler in Schwechat,
einem Markte in Österreich, eine Poststation von Wien, auf der
Straße nach Preßburg, wurde am 8. Februar 1765(1) ein Sohn geboren, dem er bei der Taufe den Namen "Joseph", vielleicht aus
Verehrung für den hochberühmten Bruder seines Freundes Michael
Haydn, des ausgezeichneten Kirchencomponisten, beilegte. Die bescheidene Familie des Landschulmeisters hatte damals wohl nicht geahnt, daß ihr mit diesem Kinde, welches dazu berufen war, dereinst
an der Spitze der ersten Künstler des Vaterlandes zu stehen, so große
Ehren zu Theil werden würden. Der Knabe wurde denn, wie es bei
den Schullehrern in Österreich, wenn sie zugleich Chorregenten sind,
meist der Fall ist, inmitten der musikalischen Functionen aufgezogen.
Von den Lehrgehilfen seines Vaters, so wie von dem Schulmeister
selbst, wurden die meisten Streich- und Blasinstrumente gehandhabt und
vor den Kirchenfesten immer fleißig geübt, in den Singschulen die
aufzuführenden Messen einstudiert, und so sog der kleine Joseph zugleich mit der Muttermilch im eigentlichen Sinne des Wortes die
Musik in sich ein, und wuchs unter musikalischen Übungen jeder Gattung auf. In einer solchen Sphäre ist es wohl leicht begreiflich, daß
das Talent des Kindes, welches ihm die Natur als Pathengeschenk
eingebunden hatte, früher und schneller als bei einem anderen Kinde
erwachte. Wir sehen daher den Knaben in einem Alter, wo sonst gewöhnlich noch kaum das Gehör für Musik empfänglich ist, schon am
klavier sitzen und kleine Musikstücke einüben. Dieser Hang nach musikalischer Ausübung fiel jedoch den Eltern nicht besonders auf, so
sehr es sie auch freute, in ihrem Sohne die Liebe zu jener Kunst in
so hohem Grade zu entdecken, der sie selbst ihren Beruf geweiht, und
erst als der Knabe schon in seinem 6. Jahre sie mit dem Vortrage eines
Klavierkonzertes überraschte, ahnten sie, daß ein höherer Geist in ihm
wohne. Diese Ahnung fand auch Bestätigung in dem Ausspruche eines
Mannes, der das Haus des Schullehrers Eybler öfter besuchte,
und von der Familie als ein Kenner der Musik verehrt wurde. Es
war dieß Hr. Joseph Seitzer, ein kaiserl. Beamter, der selbst Musik
mit großem Erfolge betrieb und als ein Kunstfreund und Beförderer
der Musik in großem Ansehen stand. Dieser hatte kaum den Vortrag des
besagten Konzertes von dem kleinen Joseph gehört, als er auch sogleich unaufgefordert sich erklärte, seine Verbindungen im Interesse des
ausgezeichneten Talentes dieses Knaben zu benützen, und sich für seine
fernere Ausbildung in der Kunst thätigst verwenden zu wollen. Seinen
Bemühungen gelang es auch dem Knaben eine Stelle im Seminarium
zu Wien zu verschaffen, wo auch Albrechtsberger, Joseph und Michael Haydn ihre Ausbildung erhielten und aus welchem in der Folge
das jetzige k. k. Stadtconvict hervorging, in diesem erhielt er außer
dem Unterrichte in den verschiedenen Fächern der Wissenschaften, auch
in der Musik von den besten Meistern seine Ausbildung. In Berücksichtigung des großen musikalischen Talentes des Jünglings, brachte
es sein Protector auch dahin, daß er in die Zahl der Schüler des
berühmten Contrapunktisten Albrechtsberger aufgenommen wurde, wo er unter diesem großen Meister, während eines dreijährigen
Curses (von 1776 — 1779) die Composition mit dem besten Erfolge studierte. Nachdem das Seminarium im Jahre 1782 aufgelöst worden,
welches die Entlassung der Zöglinge zur Folge hatte, widmete sich
Eybler dem Studium der Jurisprudenz, wo er von seinem Vater
nothdürftig unterstützt wurde, bis eine im Aufenthaltsorte des Letzteren ausgebrocheue Feuersbrunst die Familie ihres ganzen Vermögens
beraubte, wodurch nun auch für den jungen Studiosen jede Quelle
der Unterstützung mit einem Male versiegt war, und er die Hoffnung
aufgeben mußte, dereinst im Civile eine Anstellung als Beamter zu
erhalten. — Wie denn Tod und Leben aus ein und demselben Borne
quillt, und während der Eine daraus Glück und Freude schöpft, dieselbe
Quelle dem Andern zum Unglück und Verderben wird, so war es auch
in Eybler’s Leben. Die unglückliche Katastrophe, welche die Seinen
um ihr ganzes Habe brachte, und somit dem Jünglinge jede Hilfe von
seiner Familie abschnitt, sie ward zum Wendepunkt seines — Glückes;
denn nun gab er sich ganz und gar seiner Lieblingsneigung, der Musik,
hin und hatte kein anderes Ziel vor Augen, als ein Priester zu werden im heiligen Tempel der Kunst.
Was er bei Albrechtsberger gelernt, das wollte er nun
auch in die That übergehen lassen; er fing an — zu componiren, und
allmälig öffneten sich ihm die Pforten des Heiligthums, sein Talent
brach sich die Bahn, und der junge Tonsetzer schwang sich bald über
das Mittelmäßige zu dem Besseren auf. Er suchte in die Nähe Vater
Haydn’s zu kommen und es gelang ihm bald die Zuneigung des
großen Tonmeisters in dem Maße sich zu erwerben, daß er ihm Freund
und Lehrer ward. Ihm legte er nunmehr seine Arbeiten vor und nahm
sein Urtheil wie einen Orakelspruch hin. Jedes Wort der Zufriedenheit seines Lehrmeisters ward ihm ein reicher Lohn für so manche
Entbehrung im Leben und munterte ihn wieder auf, rüstig und unverdrossen sein Ziel zu verfolgen. Freilich wohl war er genöthigt eine
solche Freude oft mit der Frohne eines wochenlangen Stundengebens
zu erkaufen, das ihm seinen Lebensunterhalt Verschaffen mußte; allein
dieß drückte seinen Geist nicht nieder, es gab ihm im Gegentheile
eine neue Spannkraft, und sein Talent trat dann mit erneuerter
Wirksamkeit hervor, je mehr es früher durch die Mühsale des
Broterwerbes niedergehalten wurde.
Ein Beweis des freundschaftlichen Verhältnisses, in welchem
Eybler mit dem großen Componisten der "Schöpfung" gestanden,
geht unter Andern auch aus einem mir vorliegenden Briefe des Letzteren hervor, den er, aus Eisenstadt vom 22. März 1789 datirt,
an Eybler schreibt. Es heißt darin unter Andern: "Danke unendlich für alle Ihre Glückswünsche; verdopple all’ dieselben vom ganzen Herzen: bin vergnügt über die Zufriedenheit Ihrer Symphonie;
bedaure anbei, daß ich kein Aug- und Ohrenzeug davon war, hoffe
aber dieselbe in Wien zu hören. Nun, bester Freund, bitte ich für
mich 3 neue Tanzmenuette, aber jedweden mit einem Trio begleitet, zu componiren, die Ursache meiner Bitte werde ich Ihnen bei
Gelegenheit selbst entdecken, sage unterdeß nur so viel, daß diese
3 Menuette für einen meiner besten Freunde bestimmt sind [????]."
Nicht uninteressant ist das Postscriptum dieses Briefes, das
einen neuen Beleg gibt, mit welcher Anerkennung J. Haydn von
seinem Kunstgenossen spricht. Es heißt dort: "Küssen Sie statt meiner die zwei großen Männer Mozart und Albrechtsberger.«
In diese Zeit fällt auch seine Bekanntschaft mit Mozart. Mit
dieser echten und unverfälschten Künstlernatur voll Herzlichkeit und
unbefangener Biederkeit wurde der junge Eybler bald so vertraut,
daß ihm Mozart, während er selbst noch mit dem Partitursatze
seiner Oper "Cosi fan tutte" beschäftigt war, das Einstudieren derselben mit den Sängern überließ. Eybler hatte nie eine besondere Neigung für das dramatische Feld musikalischer Composition,
obgleich er, wie aus dem im Nachhange befindlichen Verzeichnisse
seiner Werke hervorgeht, sich auch in diesem Genre der Composition
versuchte; er fühlte in sich nicht das Talent, seinen Tongebilden
jenes dramatische Leben einhauchen zu können, was bei der Composition einer guten Oper Grundbedingung, und dieß mochte wohl
vorzugsweise die Ursache seyn, warum er sich zu dieser Compositionsweise nicht hingezogen fühlte und seine derartigen Arbeiten nicht für
mehr als Federproben angesehen wissen wollte. Ein nicht ganz unbedeutender Grund ist wohl auch darin zu suchen, daß er bei den
früher erwähnten Proben der Oper Mozart’s die theatralischen
Umtriebe und die Kabalen der beim Theater Beschäftigten in ihren
mannigfaltigen Verzweigungen kennen lernte, die ihm denn für immer jede Lust verleideten, sein Talent dem Theater zuzuwenden.
Übrigens war dieses Einstudiren mit den Sängern für den jungen
Correpetitor immerhin von einigem Nutzen, und wäre es endlich
nur der gewesen, sich in der italienischen Sprache vervollkommt
zu haben.
Jmmer enger schloß sich das Band der Freundschaft zwischen
Eybler und Mozart, und zog den Einen die Bewunderung des
allgewaltigen Genies seines Freundes unwiderstehlich zu diesem hin,
so war es bei dem Andern die Biederkeit und Ehrenhaftigkeit des
Charakters, die ihn festband an seinen jüngeren Freund und Kunstgenossen.
Leider währte dieses Freundschaftsbündniß nicht lange. Die
Parzen zerschnitten unerbittlich den Faden eines der Kunst so thenren Lebens, und Mozart starb in der Blüte seiner Jahre, und mit
ihm wurde ein Himmel von Harmonien begraben, die eine Welt
beglückt hätten. Seinem Freunde aber blieb außer dem Troste, daß
der Geist nie stirbt und die Werke Mozart’s immer leben werden, noch der zurück, daß er den Menschen in seinen letzten Lebenstagen mit Freundeshand gepflegt, und ihm den Liebesdienst einer
zärtlichen Wartung mit erweisen half.(2)
Dem Umgange mit Mozart hatte Eybler auch vorzugsweise die Richtung seines Geistes zu verdanken; denn er war es,
der ihn mit den großen Meisterwerken eines Händel bekannt
machte und ihm somit den Weg bezeichnete, den er einschlagen mußte, und der seinem Talente am meisten entsprach. Eybler äußerte
sich selbst über sein freundschaftliches Verhältniß zu Mozart in
einer Skizze über sein Leben und Wirken in der Kunst, die er für
Hofrath Rochlitz in Leipzig niederschrieb, auf folgende Weise:
"Und ich habe das Glück gehabt, seine (Mozart’s) Freundschaft
bis an seinen Tod unversehrt zu behalten, so daß ich ihn auch in
seiner schmerzvollen Todeskrankheit gehoben, gelegt und warten geholfen habe. Wie viele Werke der würdigsten Meister sind wir in größter
Aufmerksamkeit mit einander durchgegangen und haben daran uns
belehrt und erfreut. Mozart war auch, wiewohl unwissend, Ursache,
daß, was wohl in meinen Anlagen und meinem ganzen Wesen gegründet, aber noch nicht mir klar geworden und zur Entscheidung gekommen war, jetzt mir klar wurde und sich entschied, nämlich, daß
ich mich in meinen Arbeiten vom Theater ganz zu enthalten, und
ausschließlich der Kirche und ihrem Styl zu widmen habe." —
Außer Albrechtsberger, Haydn, Mozart, waren auch
der Cardinal Migazzi, der Staatsrath van Swieten(3) seine
Freunde und Gönner, so wie er auch mit dem berühmten Theoretiker und Kunstkritiker Hofrath Rochlitz in Leipzig in freundschaftlicher Correspondenz stand.
Eybler verlegte sich nun mit allem Eifer ausschließend auf
Kirchencomposition; er schrieb mehre Messen, die er in der Pfarrkirche der Carmeliten, wo er (i. J. 1792) die Stelle eines Chorregenten erhalten hatte, zur Aufführung brachte, und die ihm bald
in der Wiener Musikwelt einen guten Namen machten, in Folge
dessen er 1794 die Stelle eines Regenschori in der Pfarrkirche bei
den Schotten erhielt. Die Kaiserinn M. Theresia, Gemahlin weil.
Kaisers Franz, eine hohe Beschützerin der Künste und vorzugsweise eine große Freundin und Kennerin der Tonkunst, wünschte
seine Compositionen zu hören und zollte ihnen volle Anerkennung,
den Componisten aber beglückte sie mit ihrer besondern Huld, und
begründete somit sein Glück für die Zukunft. In Folge dessen wurde
Eybler öfter zu den Familienkonzerten und dramatischen Vorstellungen in den kaiserl. Lustschlössern Hetzendorf und Laxenburg geladen, bis ihm endlich im Jahre 1801 die Ehre zu Theil wurde,
als Lehrer der Tonkunst zur kaiserlichen Familie nach Hof berufen
zu werden, als welcher er den Erzherzogen und Erzherzoginnen und
selbst dem Kronprinzen Ferdinand (dem jetzigen Kaiser von Österreich) Unterricht im Clavierspiele ertheilte. Ein Jahr darauf, als er
diese Anstellung bei Hofe erhalten, schrieb er auf ausdrückliches Verlangen seiner hohen Gönnerin, der Kaiserin M. Theresia,
das solenne Requiem, in gewisser Beziehung das großartigste und
geistreichste seiner Werke. Rochlitz sagt darüber in seiner ausführlichen Beurtheilung desselben in der "Allgemeinen Leipziger
musikalischen Zeitung" (Nr. 19 ddo. 10. Mai 1826) unter Andern:
"Eybler hat den kirchlichen Text, um ihm in der Musik sein Recht
anzuthun, offenbar und durchgehends mit hoher Achtung, frommer
Andacht und liebevoller Begeisterung aufgefaßt; diese Gesinnungen
und Empfindungen überall in feine Töne gelegt, so daß ihr Ausdruck auch einen ähnlichen Eindruck machen muß; keinen einzigen
Satz vernachläßiget, und die wichtigeren, wie mit einer bewunderungswürdigen Kunst, so mit einem sehr rühmlichen Fleiße ausgeführt. Hiezu, und allerdings durch seine künstlerische Individualität,
hat er sich für dieses Werk einen Styl gebildet, der, erst im Allgemeinen edel, großartig, in Vollstimmigkeit sehr reich, kaum mit
einigen kleinen Ausnahmen wahrhaft kirchlich und der Feier eines
Todtenamtes angemessen genannt werden muß: dann im Besonderen, wie uns dünkt, am meisten mit dem Style M. Haydn’s in
dessen größten und vorzüglichsten Werken verglichen werden kann;
nur daß Eybler weit mehr Feuer besitzt und sich von verbrauchten
oder öfters wiederkehrenden Figuren, freier als der gute Michael, der in Salzburg lange Jahre fast nur sich selbst hörte, und
in seiner Abgeschiedenheit und gedrückten Lage auf Reizendes, in
wie fern es auch in dieser Gattung gerechten Platz finden kann,
Verzicht leistete. Eybler’s Gesang, technisch betrachtet, ist, wie
dieses Meisters rein, natürlich, fließend, allen Stimmen angemessen,
und darum auch keineswegs schwer auszuführen; seine Orchesterpartie aber (Begleitung kann man hier nicht wohl sagen, da das
Orchester fast durchgängig für sich sebstständig und recht eigentlich
ausgearbeitet ist) viel reicher, mannigfaltiger, eigenthümlicher und
auch für die Ausführung öfters weit schwieriger als bei ihm.
Eybler nimmt für den Ausdruck und für die Ausarbeitung seines Werkes alle Mittel in Beschlag, die bei großen Kirchenmusiken
anwendbar und angemessen sind." — Jm Jahre 1804 wurde er
in Rücksicht seiner vorzüglichen musikalischen Kenntnisse, dann der
sich als Compositeur und besonders bei Hofe als Claviermeister der
a. h. Herrschaften erworbenen Verdienste von Sr. Maj. dem Kaiser
Franz aus a. h. eigenem Antriebe zum k. k. Vice-Hofkapellmeister an die Seite Salieri’s befördert, dessen Nachfolger er
auch ward, als dieser i. J. 1804(([sic!] Anm.: Korrekt wurde Salieri 1824 in den Ruhestand versetzt!)) in den Ruhestand versetzt wurde.
Zwei Jahre nach dieser Ernennung (i. J. 1806) verheiratete er sich mit der Tochter des k. k. Forstmeisters, Therese Müller,
Kammerdienerin I. M. der Kaiserin M. Theresia. Seine Ehe
war mit zwei Kindern gesegnet, von welchen jedoch ein Mädchen einige Monate nach der Geburt wieder starb, und nur ein Sohn
ihm am Leben blieb. Eybler schrieb in dieser Zeit viele Kirchentonwerke, welche ihm den Namen eines ausgezeichneten Componisten in diesem Fache für immer sichern; aber auch für
Kammermusik componirte er viele vortreffliche Werke; auf ausdrücklichen
Befehl des Kaisers schrieb er ein großes Oratorium: "Die vier letzten Dinge", welches bei einem Hoffeste zum ersten Male im Jahre
1810 in dem glänzend decorirten Ceremonien-Saale ausgeführt
wurde und dem Meister die Anerkennung des a. h. Hofes sowohl,
als auch aller Kunstverständigen und Künstler im hohen Grade
erwarb.
Eybler’s effective Dienstleistung an der Spitze der k. k.
Hofkapelle dauerte bis zum Jahre 1833, wo er am 23. Februar,
während der Direction des Mozart’schen Requiems, einen Anfall
von Schlagfluß hatte, dem zu Folge ihn der Kaiser interimistisch
von der musikalischen Direction auf dem Chore enthob, welche er
auch von dieser Zeit an nicht mehr übernahm, da ihm die Ärzte,
obgleich er sich sehr bald wieder davon erholt hatte, jede geistig anstrengende Arbeit als seiner Gesundheit nachtheilig verboten; nichts
desto weniger war er in seinem Dienste bis kurz vor seinem Tode thätig.
Als Belohnung seiner ausgezeichneten Verdienste um die Kunst
und namentlich um die seiner Leitung durch so lange Zeit unterstandene k. k. Hofkapelle, erhob ihn sein hoher Gönner Kaiser
Franz noch, nach der letztwilligen Verfügung in den erbländischen
Adelsstand.
Nachdem sich der greise Meister in Folge der Anordnung seiner Ärzte gänzlich in’s Familienleben zurückgezogen hatte, verlebte
er im Kreise der Seinen, von allen Künstlern und Kunstfreunden
verehrt und hochgeachtet, die wenigen Jahre vergnügt und zufrieden, mit Beruhigung zurücksehend aus sein thatenreiches Leben, bis
ihm am 24. Juli 1846 der Todesengel sanft die müden Augen zudrückte und seine Seele mit hinübernahm in das Reich der ewigen
Harmonien. Joseph Edler von Eybler war bei seinem Tode 81
Jahre und 5 1/2 Monate alt. Er hinterließ eine Witwe und einen
Sohn, Hrn. Joseph Edlen von Eybler, k.k. österreichischer Staatsraths-Official.
Eybler war einer der wenigen Glücklichen, dem schon
die Gegenwart Kränze flicht, und die den Lohn ihres Wirkens noch
selbst einernten. Wenn man die lange Reihe seines Lebens
überschaut, so wird man offenbar das unmittelbare Einwirken
eines freundlichen Geschickes gewahren, das ihn stufenweise zu den
höchsten Ehren und Auszeichnungen erhob, die er nur in seiner
Sphäre immer erlangen konnte. Sein Leben war nicht bewegt von
äußeren Stürmen, er konnte sich ruhig seinem Berufe als Kirchencomponist weihen, auch selbst in seinem inneren Leben waren keine
großen, seine Ruhe und geistige Thätigkeit hemmenden Bewegungen
sichtbar. Die Verhältnisse, ob vorbereitet oder nicht, gestalteten sich
immer zu seinem Besten, und selbst von den üblen Einflüssen des
Neides und der Mißgunst blieb er gerade in seiner Stellung mehr
als Andere verschont, wenigstens trübten sie nicht seinen Seelenfrieden, oder waren seinem Fortkommen hinderlich. Als Beweis, wie
hoch er in der Achtung seiner Zeitgenossen gestanden, mag, außer
seinem freundschaftlichen Verhältnisse zu den ausgezeichneten Kunstmännern und gegenüber dem a. h. Kaiserhause, das ihn auszeichnete,
noch dienen, daß er i. J. 1807 zum Assessor und später zum Sekretär
des Pensions-Institutes für Witwen und Waisen der Tonkünstler in
Wien gewählt wurde, vom Dezember 1824 angefangen aber als Vice-Hofkapellmeister statutenmäßig die Vice-Präses-Stelle der Gesellschaft
bekleidete. Als Belege der Anerkennung, welche seinem Verdienste auch im Auslande zu Theil wurde, dienen 11 Diplome, die ihm
größtentheils von auswärtigen Kunstinstituten zugesendet wurden,
und von welchen ich hier nur die Akademie der Musik in
Schweden, die Gesellschaft zur Beförderung der
Tonkunst in den Niederlanden und die Akademie
der h. Cäcilia in Rom ausdrücklich anführe.
Über Eyblers Werke haben sich viele competente Kunstrichter vielfältig ausgesprochen und sind immer im Allgemeinen darin übereingekommen, daß sie von großem Kunstwerthe;
ist auch darin nicht das Walten eines mächtigen Genius ersichtlich, der sich
neue Bahnen bricht, so zeigt sich doch in ihnen ein bedeutendes Talent
das im Vereine mit einer ausgebreiteten Kenntniß und einem kunstgebildeten Geschmacke eine echte, wahrhaft künstlerische Gesinnung
an den Tag legt, und Eybler im Felde der Kirchenmusik einen
bleibenden Namen erworben hat. Was er in der Kammermusik geleistet, ist, obgleich es wertiger in die Offentlichkeit gekommen, mit unter ebenfalls von großem Werthe und liefert einen Beleg mehr
für die Vielseitigkeit seines Talentes, das gewiß auch in dieser Beziehung sich die allgemeine Anerkennung erworben hätte, würde
Eybler sich ausschließlich damit beschäftigt haben.
Das Gesammtverzeichniß seiner Werke, das ich hier mittheile,
umfaßt alle theils im Stich erschienenen, theils noch ungedruckten
Compositionen des geschiedenen Meisters, welche in der biographischen Skizze Eybler’s enthalten, die Ignaz Ritter von Seyfried
in das "Universal-Lexikon der Tonkunst" geliefert; ich habe dasselbe mit einigen Angaben und Beiträgen, welche ich seinem Hrn.
Sohne verdanke, vermehrt. — Die Werke sind folgende:
9 Clavier-Sonaten, 1 Sonate in stilo fugato für 2 Violoncelle,
1 Sonate in stilo parlando ebenfalls für2 Violoncelle,
3 Violin-Duetten, und zwar das eine für Mandoline, Viola und Baß, das
andere für Piano, Violine und Cello,
7 Streichquartetten und ein Quartett für Harmonie, 8 Quintette,
1 Konzert für Clarinette mit
Orchesterbegleitung, eine Oper "das Zauberschwert" (für die Leopoldstädter Bühne),
Scenen aus "Coriolan", Scenen aus der Oper
"Argene", Vocalchor: "Hymne an Gott", "Il sacrifizio", Chor mit
Clavierbegleitung, Märsche für Harmonie und türkische Musik, das
"Kaiserlied" für zehnstimmige Harmonie gesetzt, "Triumph steigt
zum Himmel" von Joseph Haydn, von Eybler bearbeitet, und
ein melodramatisches Instrumentalstück, gegen 100 Lieder, Canons,
mehrstimmige Gesänge [??], viele Tanzpartien: Menuetts, Allemanden,
Polonaise, Anglaise, Eccossaise, Ländler [??], 4 italienische Scenen,
2 Symphonien, eine ernsthafte Pantomime: "Die Mutter der Gracchen", 2 Cantaten, 2 Oratorien: "Die Hirten an der Krippe"
(1794 für die Tonkünstler-Societät) und "die vier letzten Dinge",
32 meist solenne Messen (die erste v. J. 1781 und zwar zur Primiz
seines Bruders, die zweite nach einem 16jährigen Zwischenraume,
die letzte 1837), 7 Te Deum laudamus, 1 Tantum ergo, 1 Litanei,
1 Libera, 2 Veni Sancte Spiritus, 1 großes Requiem, 80 Offertorien, 35 Gradualien (darunter 2 Salve, 1 Alma, 1 Regina und
1 Ave), Laudate Dominum (zur Charsamstagfeier). Von diesen Kirchenstücken sind 3 Te Deum, eine Messe sammt Graduale und
Offertorium, gleichwie das Dies irae im Requiem bis zur Tuba,
doppelchörig für 8 Realstimmen angelegt.
Eyblers Persönlichkeit war eine sehr interessante, sein
Umgang angenehm; seine Conversation, besonders über Kunstgegenstände zeigte einen geläuterten Verstand und ein tiefes Eingehen
in die Wesenheit der Kunst, sein Urtheil war gründlich und nicht
bestechlich durch Äußerlichkeiten. Als Familienvater war er mit Aufopferung für das Wohl der Seinen besorgt, als Ober-Leiter seiner
Kapelle strenge im Dienste gegen Andere, aber mehr noch gegen
sich selbst. Nichts konnte ihn von der pünklichsten Erfüllung seiner
Pflicht abhalten, und seine Thätigkeit behielt er bis zu seinem
Tode. Religiös aus Überzeugung, war er auch einer der treuesten
Anhänger des Kaiserhauses, ergeben seinem Herrn mit ganzer Seele.
Er war groß von Person, in seinen Gesichtszügen drückte sich
der Ernst aus, der alle seine Handlungen leitete. Das beigegebene Portrait stellt ihn in der letzten Periode seines Lebens dar.
Epblers irdische Hülle, liegt im allgemeinen Friedhofe zu
Währing im eigenen Grabe, über welches ein einfacher Leichenstein
von seiner Familie gesetzt worden ist.
==== Fußnoten ====
(1) Also nicht 1764 wie es das Universal-Lexicon der Tonkunst zugleich mit der
Real-Encyclopädie von Frz. Ludwig (Wien 1835) irrig angeben. Zur bestimmten
Angabe und um mich in dieser Sache möglichst genau zu überzeugen,
habe ich selbst von dem Original-Taufscheine Einsicht genommen.
(2) Durch die freundliche Güte des Hrn. Alois Fuchs bin ich in den Stand
gesetzt, hier dem Lesepublikum ein interessantes Document mitzutheilen. Es
ist dieß ein Zeugniß, welches Mozart seinem Freunde Eybler ausgestellt, und das wohl den sichersten Beleg liefert, wie sehr der große Componist, Eybler als Künstler hochschätze. --
"Jch Endesgefertigter bescheine hiermit, daß ich Vorzeiger dieses, Hrn.
Joseph Eybler, als einen würdigen Schüler seines berühmten Meisters
Albrechtsberger, als einen gründlichen Componisten, sowohl im Kammer- als Kirchensthl gleich geschickten, in der Singkunst ganz erfahrenen, auch
vollkommnen Orgel- und Clavier-Spieler, kurz: als einen jungen Musiker
befunden habe, wo es nur zu bedauern ist, daß seinesgleichen selten sind."
Wien den 30. Mai 1790.
Wolfgang Amadé Mozart m.p.
Siegel. Capellmeister in k. Diensten.
NB. Das Original hat Hr. von Eybler vor einigen Jahren der k. k. Hofbibliothek verehrt. — Gleichfalls befinden
sich in der k. k. Hofbibliothek außer diesem Zeugnisse Mozarts
noch ein ähnliches von Joseph Haydn und Georg
Albrechtsberger, welche ich der gütigen Mittheilung des
Hrn. Anton Schmid Custos der k. k. Hofbibliothek verdanke; deren wörtliche Copie hier folgt. Beide sind auf gestempelten Bogen geschrieben.
I.
"Endes Unterschriebener kann nicht umhin, Inhabern dieses, Hrn.
Joseph Eybler auf seine geziemende Bitte, ein Zeugniß zu geben, das ganz
seinen vorzüglichen Talenten und seinem bisher angewendeten Fleiß in der
Musik, entspricht; indem Selber nicht nur alle die musikalisch-theoretischen
Kenntnisse besitzt, die erfordert werden, um mit der größten Ehre, die strengste Prüfung vor jedem musikalischen Richterstuhle auszuhalten; sondern
auch im praktischen Fach als ein sehr braver Clavierspieler und Violinist
den Beifall eines jeden Kenners sich zu erwerben im Stande ist. Als ersterer kann er mit Ehre die Stelle eines Capellmeisters verwalten und als
letzterer in jeder Kammermusik als ein sehr nützliches Mitglied erscheinen.
Was endlich die Composition anbetrifft, so glaub’ ich ihm kein größeres Lob geben zu können, als wenn ich versichere, das er ein Scolar
von dem so rühmlichst bekannten Herrn Albrechtsberger ist.
Mit allen diesen Eigenschaften versehen, fehlt es ihm an weiter nichts,
als an einem großmüthigen Fürsten, der ihn an einen Platz setzt, aus
dem er mehr seine Talente entwickeln und in Thätigkeit setzen kann, wo
zu ihm Endeeunterschriebener recht bald Glück zu wünschen das Vergnügen haben mögte."
Esterhaz, den 8. Juni 1790.
Josephus Haydn m. p.
Fürst. Esterhazi’scher Capellmeister.
(L.S.)
II.
Attestatum.
Da man bei diesen aufgeklärten Zeiten wiederum darauf sieht, daß
ein Regens-Chori nicht allein den Kirchen-Satz sammt dem dazu gehörigen
Latein, sondern auch das Orgelspielen gründlich verstehn müsse; derowegen
bezeuge ich ganz biedermännisch, daß Herr Joseph Eybler 1. nicht allein
Beides, sondern auch die Sing- und Geigekunst im höchsten Grade verstehe; 2. daß er in der Composition einer meiner besten Scholaren ist; 3. daß
er nach Mozart in der Musik jetzt das größte Genie seye, welches Wien
besitzt; 4. kann ich auch für seine gute Conduite der ganzen Welt gutstehen.
Wien, den 24. January 1793.
Johann Georg Albrechtsberger,
k. k. Hoforganist m.p.
(L.S.)
(3) Dieser große Kunstmäzen und selbst scharfsinnige Beurtheiler musikalischer
Werke schrieb ihm einmal folgendes Briefchen:
"Ich sende Ihnen die 2 Duetten und den Psalm mit Dank zurück;
überall habe ich Ihren gewöhnlichen Fleiß und reinen Satz gefunden. Von
dem Psalm besonders erwarte ich gute Wirkung."
Swieten.